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Der Mond, der Regen, das Meer. Beim Berliner Open Mike

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Staubwolke, Pemberton Festival 2008

Foto: Nrtphotos (cc)

Es ist unfair, was ich im Folgenden schreiben werde, schließlich kam ich zu spät zum 16. Open-Mike-Literatur-Wettbewerb in der Wabe, nur einen Bruchteil der vorgetragenen Texte habe ich mitbekommen. Schon deshalb seien keine Namen genannt. Es scheint mir aber, dass sich, wer jung und Autor ist in Deutschland, noch immer bevorzugt um eine Verrätselung seines Alltags kümmert. Und dabei die Lösung gleich mitliefert.

Altbekannte Bilder, abgeschliffen zu Abstraktionen, an deren Eindeutigkeit und Glaubwürdigkeit offenbar kein Zweifel besteht, dienen als Währung für das Tauschgeschäft zwischen Schriftsteller und Publikum: Symbol gegen Emotion. Der Mond. Der Regen. Das Meer. Der Strand. Der Sand auf der Haut. Das Wasser, in dem sich Kinder spiegeln: Das ist das „Mobilar“ der Erzählungen und Gedichte, die ich zu hören bekam. Die Arbeitswelt tritt als Recherchepraktikum ins Dichterleben, ansonsten ist Außenwelt ein Fernseher, aus dem kurz Nachrichten aus einem Bürgerkriegsgebiet dringen – als akustischer Hintergrund für ein Eifersuchtsdrama. Die Brutalität, die anderswo den „Alltag“ bestimmt, wird entmaterialisiert, sie dient nur der Analogie: „Love is a battlefield“.

Ich frage mich, was Feridun Zaimoglu denkt, der in der Jury sitzt, ist er doch in der Vergangenheit durch Forderungen nach Kraft und Saft in der deutschsprachigen Prosa aufgefallen. Kein Missverständnis bitte: Ich vermisse nicht die Hemingway-Imitatoren, vor allem nicht, wenn sie das Sprengen literarischer Formen von Tarantino-Filmen gelernt haben. Aber ich vermisse bei diesen Schriftstellern zum Beispiel eine Spur des Krieges, an dem das Land beteiligt ist, aus dem sie stammen.

Update, 17.11.2008: Den Besuch am Sonntag habe ich mir gespart. In der „taz“ kann man die Namen der Open-Mike-Gewinner lesen. Und die Kritik: „Was fehlte, war die Spannung, was fehlte, waren eigene Stimmen, war Waghalsiges, der Mut zum Experiment, auch der Mut zu politischen und sozialen Auseinandersetzungen.“


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